Sitz der SAP in Walldorf (© Michaelbr90/CC BY-SA 3.0)

Der deutsche ERP- und Cloud-Riese SAP mit Sitz in Walldorf führt für seine Cloud-Dienste eine automatische Preiserhöhung ein. Die Gebühren sollen jedes Jahr fix um 3,3 Prozent steigen, wie es in den Vertragsbedingungen heisst, die der Konzern vor einigen Wochen ohne Ankündigung veröffentlicht hat. Dies wird von der IG (Interessengemeinschaft) SAP heftig kritisiert, denn diese Erhöhung mache bei einem 5-Jahres-Vertrag eine Kostensteigerung von rund 18 Prozent aus – Listenpreiserhöhungen nicht eingerechnet. "Mit der 'stillen' Preiserhöhung während den Sommerferien sehen wir Ähnlichkeiten mit dem Vorgehen im Jahr 2008, als SAP einseitig die Wartungsgebühren um 30 Prozent erhöhen wollte. Wir erwarten, dass die Regelung rückgängig gemacht wird," fordert die IG SAP in einem Communiqué dazu.

Der grösste Softwarekonzern Europas begründet die automatische Anhebung der Preise damit, dass das Unternehmen bestrebt sei, den Wert der Cloud-Lösungen der Kunden kontinuierlich zu steigern. Dazu gehöre z.B. die Verbesserung von Service-Leveln, die Entwicklung neuer Funktionalitäten und Innovationen, sowie die Sicherstellung der höchsten Standards für Datensicherheit. Die Bereitstellung von kontinuierlich verbesserten und agilen Cloud Lösungen, die man anbiete, bedürfe einer umfangreichen und komplexen Arbeit. Dieser Aufwand bringe steigende Kosten mit sich. Die Preisanpassung spiegle diesen zusätzlichen Wert wider, heisst es seitens der Walldorfer weiters.

Nachdem sich Schweizer SAP-Kunden gemäss einer Umfrage der IG SAP schon vor der Preiserhöhung sehr kritisch gegenüber dem Wechsel in die Cloud und allgemein gegenüber den aktuellen Services äusserten, könne dies zur Retourkutsche für SAP werden, so die IG. Eine automatische Kostenerhöhung unabhängig von Interesse und Nutzung neuer Funktionalitäten sei jedenfalls fragwürdig. Die Attraktivität des SAP-Cloud-Angebotes werde durch diese zunehmende Bevormundung der Kunden weiter geschmälert, betont die IG.

Hinzu komme, das mit tiefer Inflation und dem weiter erstarkten Franken die Preise in der Schweiz in die andere Richtung zeigen müssten – nämlich nach unten. Vor allem bei den Wartungskosten der (noch) SAP-ECC-Betreiber würde das Preis/Leistungsverhältnis schon lange nicht mehr stimmen. Die Wartungskosten seien in Bezug Leistung / fehlende Weiterentwicklung viel zu hoch. Ebenso seien die Anwenderunternehmen nicht bereit, für Cloud-Dienste das X-Fache im Vergleich zu vorher (on-prem) zu bezahlen, nur um den Betrieb der Software in die Cloud abzugeben. Denn abstrakt betrachtet, biete SAP oft eher ein Outsourcing-Angebot als eine Cloud-Lösung.

SAP-Bestandskunden hätten regelmässig keine Wahl mehr zwischen on-prem- oder Cloud-Lösungen, moniert die IG weiters. Zum Beispiel IBP (Integrated Business Planning for Supply Chain). Diese SAP-Software löse den bekannten APO (Advanced Planner and Optimizer) ab, soll zwar wesentlich leistungsfähiger und funktionaler sein, ist aber nur als Cloud-Angebot erhältlich. "Ebenso bekommen wir widersprüchliche Feedbacks bezüglich Anrechnung der Lizenzen bei einem Wechsel von ECC nach S/4. Eine Anrechnung von 100 Prozent der Wartungsbasis ist ein Muss, schliesslich musste der Kunde jahrelang Wartung für die Weiterentwicklung der SAP-Produkte bezahlen," fordert die IG AP. Hier wolle die SAP seine Marktmacht ausnutzen und Kunden würden zum Wechsel in die Cloud gezwungen.

Vor einem Jahr hat die IG SAP mittels einer Kundenumfrage Problempunkte und Herausforderungen im SAP- Umfeld erhoben und die konkreten Erwartungen an SAP adressiert. Ein Jahr nach der Publikation der Ergebnisse seien die Feedbacks von SAP leider noch immer mehr als spärlich. Viele Fragen seien offen und es bestätigten sich generell die aktuellen Meinungen gegenüber SAP aus der Presse, heisst es.

"SAP verspricht Feedback und Dialog in unserem nächsten IG-SAP-Treffen am 17. November in der Autohalle in Andelfingen“, fasst Peter Hartmann, Bizcon, sowie Führung und Ansprechpartner der IG SAP CH zusammen. "Wir geben SAP im Meeting genügend Zeit zur Stellungnahme und dem direkten Austausch mit den Kunden". Ein Update zu den Kundenmeinungen folge im 2023 mit der Neuauflage uder Kundenumfrage, so Hartmann.

Die Ergebnisse der letztjährigen Umfrage:
• Nur 3 Prozent sehen die SAP-Strategie als belastbar an. Für 97 Prozent ist sie wenig bis gar nicht belastbar • Für rund 96 Prozent ist die SAP PKL nicht lesbar, unverständlich, nicht kundenorientiert • Rund 71 Prozent bewerten Preis/Leistung für Wartung als "gerade noch Okay". • 87 Prozent nutzen ein ECC6 / R/3 Umgebung, 11Prozent nutzen S/4Hana, und geplant bis 2027 sind weitere plus 61 Prozent. • 97 Prozent betreiben ein eigenes oder sind auf einem outgesourcten On-prem-System, 3 Prozent sind in der Cloud • 46 Prozent setzen Hana-DB ein, 54 Prozent any DB • 47 Prozent sind mit Partnerschaft SAP & Partner zufrieden