Damit die Erkenntnisse der Quantenforschung in konkrete Anwendungen umgesetzt werden können, braucht es ein enges Zusammenspiel von unterschiedlichen Disziplinen. (Bild: ETH Zürich / Heidi Hostettler)

Die Quantenforschung ist heute längst nicht mehr nur eine Domäne der Physik. Mit dem neuen Kompetenzzentrum "ETH Quantum Center" sollen die verschiedenen Aktivitäten an der ETH Zürich in diesem Bereich nun noch besser vernetzt und gegen aussen hin sichtbar gemacht werden.

Die Quantenforschung gehört derzeit zu den vielversprechendsten Forschungsgebieten. In unterschiedlichen Bereichen erhofft man sich dank der Prinzipien der Quantenmechanik wegweisende Durchbrüche, die zu neuen Anwendungen führen sollen. Dazu gehören beispielsweise die Bereiche Computing, Sensorik, Kommunikation und Datensicherheit.

Auch für die ETH Zürich hat die Quantenforschung eine grosse Bedeutung. Inzwischen gibt es eine beachtliche Zahl von Professuren, die sich mit Quantenphysik und -​technologien befassen. Nach wie vor sind die meisten von ihnen im Departement Physik angesiedelt. Doch auch in anderen Departementen spielen die Quantenwissenschaften eine immer wichtigere Rolle.

Gerade die Erwartung möglicher Anwendungen ist ein wesentlicher Grund, warum die Quantenforschung in immer mehr Fachbereichen Fuss fasst. Denn wenn man die abstrakten Phänomene der Quantenmechanik für konkrete Anwendungen nutzen will, braucht es nicht nur PhysikerInnen, welche diese Phänomene theoretisch und experimentell untersuchen, sondern auch IngenieurInnen, die sich beispielsweise mit Elektronik, Nanofabrikation, neuen Materialien oder der Skalierung von Prozessen befassen, sowie InformatikerInnen, welche die notwendigen Programmieransätze entwickeln, ohne die die neuen Technologien gar nicht genutzt werden können.

"Die Ingenieurinnen und Ingenieure haben die Aufgabe, Wissen in Technologie umzusetzen", erklärt dazu Lukas Novotny, Professor für Photonik am Departement Informationstechnologie und Elektrotechnik. "Doch die Wissenschaft wird gleichzeitig auch durch neue Technologien vorangetrieben, heute stärker als je zuvor. Eine enge Zusammenarbeit zwischen der Physik und den Ingenieurwissenschaften ist in der Quantenforschung deshalb unabdingbar."

Neuer Studiengang, neue Professuren

Die ETH Zürich ist heute in der Quantenforschung bereits gut aufgestellt, und sie wird in den kommenden Jahren ihre Aktivitäten weiter ausbauen. So hat die Hochschule bereits im letzten Herbst einen neuen Masterstudiengang in Quantum Engineering lanciert. Und im Rahmen der ETH+ Initiative zum Thema Quantenforschung wurden kürzlich zwei neue Professuren in den Bereichen "Quantum Computing" am Departement Informatik und "Experimental Quantum Technology" gemeinsam mit dem Paul Scherrer Institut ausgeschrieben.

Parallel dazu will die ETH Zürich die einzelnen Akteure in diesem Feld besser vernetzen. Sie hat deshalb – ebenfalls im Rahmen der erwähnten ETH+ Initiative – ein neues "ETH Quantum Center" gegründet, das als Kompetenzzentrum die verschiedenen Fachrichtungen an der ETH Zürich zusammenbringen wird. Insgesamt 28 Professuren aus sechs Departementen sowie dem PSI haben sich dem neuen Zentrum bereits angeschlossen. "Alleine schon diese Zahl verdeutlicht, wie vielfältig die Kompetenzen an der ETH Zürich in der Quantenforschung sind", erklärt Andreas Wallraff, Professor für Festkörperphysik. Und Novotny ergänzt: "Das ETH Quantum Center fördert die Zusammenarbeit von Forschenden aus verschiedenen Departementen und verschiedenen Ausrichtungen. Dadurch können wir Synergien bei der Entwicklung von Quantentechnologien nutzen."

Nicht nur Physikerinnen und Elektroingenieure versprechen sich viel von einer engeren Zusammenarbeit, sondern auch die InformatikerInnen. "Die Quanteninformatik steckt heute noch in den Kinderschuhen", konstatiert Kenny Paterson, Professor für angewandte Kryptographie. "Aber sie hat das Potenzial, einen revolutionären Einfluss auf die Informatik zu haben. Doch diese Wirkung wird nur durch interdisziplinäre Ansätze voll zum Tragen kommen." Gerade für sein eigenes Fachgebiet, der Kryptographie, erhofft sich Paterson anregende Impulse vom Austausch mit den Physikerinnen und Physikern.

Klare Präsenz gegen aussen

Die Initianten des neuen Zentrums haben insbesondere die mittelfristige Perspektive im Auge. Der Nationale Forschungsschwerpunkt QSIT (Quantum Science and Technology) wird Ende 2022 zu Ende gehen; das neue "ETH Quantum Center" soll nun einen Teil seiner Funktionalitäten übernehmen. Ein grosses Anliegen ist die Präsenz gegen aussen: "An der ETH Zürich haben sich in den letzten 20 Jahren eine grosse Zahl herausragender Quantenwissenschaftler und -​wissenschaftlerinnen in verschiedenen Departementen zusammengefunden. Im Gegensatz zu anderen Universitäten gab es bisher an der ETH keinen starken gemeinsamen Auftritt", stellt Wallraff fest. "Um auch bei nationalen und internationalen Forschungsbehörden, bei der Industrie oder in den grossen Medien als wichtiger Akteur wahrgenommen zu werden, braucht es eine klare und wiedererkennbare Präsenz."

Konkret geht es beispielsweise darum, die ETH Zürich bei der Vergabe von europäischen Fördermitteln im Bereich der Quantentechnologie noch erfolgreicher zu positionieren. Auch für künftige Zusammenarbeitsprojekte mit der Industrie oder bei der Einwerbung von Drittmitteln ist es für die ETH hilfreich, wenn sie sich unter dem Dach des neuen Quantum Centers mit ihrer ganzen Breite an Kompetenzen präsentieren kann. "Die ETH hat bereits heute Quantenforschung auf höchstem Niveau zu bieten und wird sich in Zukunft noch stärker als treibende Kraft international positionieren", ist Wallraff überzeugt. "Dieses Ziel wollen wir gemeinsam mit dem neuen Zentrum erreichen."
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