Impression vom 9. St.Galler Forum für Finanzmanagement und Controlling der OST (Bild: zVg)

Die Wirtschaftskriminalität ist ein Dauerbrenner in der Unternehmensführung. Die Digitalisierung und KI haben das Problem zusätzlich verschärft. Wie sich Unternehmen schützen können und wer die Täterinnen und Täter hinter Wirtschaftsdelikten sind, stand im Fokus des 9. St.Galler Forums für Finanzmanagement und Controlling der OST – Ostschweizer Fachhochschule.

Neben den medienwirksamen Fällen hat auch die zunehmende Professionalisierung der Täterinnen und Täter die Wirtschaftskriminalität in den vergangenen Jahren stärker ins öffentliche Bewusstsein gerückt. "Organisationen müssen wissen, wie sie sich vor diesen Gefahren schützen können", sagte Prof. Marco Gehrig vom Kompetenzzentrum Accounting und Corporate Finance der OST in seiner Begrüssung zum 9. St.Galler Forum für Finanzmanagement und Controlling.

"Die Zusammenarbeit und der Dialog zwischen Management, Compliance und interner Revision sind zentral für die Verhinderung von Wirtschaftskriminalität", konstatierte Stephan Weiss, Chief Auditor bei Roche. Der Pharmakonzern deckt jedes Jahr grössere und kleinere Betrugsfälle auf. Diese reichen von Interessenkonflikten über Umsatzmanipulation bis Lieferantenbetrug, bei dem Lieferanten zum Beispiel gefälschte Rechnungen an Roche schicken. Bei der Aufdeckung dieser Fälle spielen laut Weiss die 100'000 Mitarbeitenden eine entscheidende Rolle. "Wir haben eine ‘Speak-up Line’ – eine Telefonnummer, bei der sich Mitarbeitende anonym melden können, wenn ihnen etwas Verdächtiges auffällt", erklärte Weiss. Die Verdachtsfälle werden bei Roche von zehn internen Ermittlerinnen und Ermittlern professionell untersucht. "Ein signifikanter Teil der Fälle bestätigt sich", betonte Weiss. Laut ihm sei es wichtig, dass diese Betrugsfälle Konsequenzen haben und Massnahmen gegen die entsprechenden Mitarbeitenden durchgesetzt werden. Fundamental zur Verhinderung von Wirtschaftsstraftaten sei auch eine gelebte Compliance-Kultur, die von der Führungsebene vorgegeben wird.

Weiss zufolge ist die Cybersicherheit bei Roche in den letzten Jahren in den Fokus gerückt. Die Kriminalstatistik des Bundes vom letzten Jahr zeigt die zunehmende Bedeutung des Themas auf: Mittlerweile mache Cyber-Wirtschaftskriminalität zehn Prozent aller registrierten Straftaten aus. Die Relevanz von Cybersicherheit zeigte sich auch im Programm des Forums. Die 160 Teilnehmenden hatten die Möglichkeit, sieben Workshops zu besuchen, unter anderem zu den Themen Cybersicherheit und KI.

Die zunehmende Digitalisierung und neue Finanztechnologien stellen auch die Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) vor Herausforderungen. Die MROS leistet einen entscheidenden Beitrag zur Prävention und Aufdeckung von Geldwäscherei. Die Behörde ist dem Bundesamt für Polizei (Fedpol) angegliedert. Geld, das aus der Wirtschaftskriminalität stammt, kann heutzutage innerhalb von Sekunden um die Welt geschickt werden. "We follow the money", brachte es Marc Schröder auf den Punkt. Er ist Senior Policy Experte bei der MROS und leitet die Fachgruppe Wirtschaftskriminalität. An der OST ist er als Lehrbeauftragter tätig. "Wir nehmen Verdachtsmeldungen entgegen, prüfen diese und reichern sie mit mehr Informationen an. Erhärtet sich ein Verdacht, informieren wir die Strafverfolgungsbehörden", erklärte Schröder. Im Jahr 2024 hat die MROS demnach über 1500 solche Meldungen geprüft.

Um Geld aus Straftaten im legalen Finanzkreislauf zu verwenden, muss es gewaschen werden. Für Schröder die logische Konsequenz, dass "es keine Wirtschaftskriminalität mehr geben würde, wenn Geldwäscherei konsequent aufgedeckt und das Geld eingezogen wird." Dafür spielten die Finanzintermediäre wie Banken und Versicherungen die wichtigste Rolle: "Sie haben den direkten Kontakt mit Kundinnen und Kunden und müssen ihre Sorgfalts- und Meldepflicht wahrnehmen."

Doch könnte man Wirtschaftskriminelle nicht bereits im Unternehmen erkennen und ihre Verbrechen so verhindern? Mit dieser Frage beschäftigte sich Thomas Knecht, Facharzt für Psychiatrie im Psychiatrischen Zentrum Appenzell Ausserrhoden. "Bei Wirtschaftskriminellen spricht man auch von sogenannten Weisskragenkriminellen – im Englischen White-Collar-Crime. Der weisse Kragen steht für die angesehene Position im Unternehmen – im Unterschied zum blauen Kragen der Arbeiterinnen und Arbeiter", erklärt Knecht. Eine neue Studie der KPMG bestätigt dieses jahrzehntealte Bild: Der typische Wirtschaftskriminelle ist demnach männlich, zwischen 36 und 55 Jahre alt, arbeitet seit einigen Jahren im Unternehmen und gilt als Respektsperson.

Laut Knecht weisen typische Wirtschaftskriminelle narzisstische Züge auf. Dies zeige sich zum Beispiel durch Grössengefühle, einem Mangel an Empathie und einer unbegründeten Anspruchshaltung. Dazu komme häufig eine hohe soziale Intelligenz. Diesen Personen falle es leicht, andere von sich zu überzeugen und sie zu ihrem Vorteil zu manipulieren. Die Frage stelle sich, wie solche Personen überhaupt in Kaderpositionen gelangen. "Die Merkmale, die es für Führungspositionen braucht, überschneiden sich teilweise mit den genannten Persönlichkeitseigenschaften", zeigte Knecht auf. Hinzu komme laut Knecht, dass Wirtschaftskriminelle oft charismatisch seien und eine Fassade der Freundlichkeit oder sogar Wohltätigkeit aufbauten. Ihre Motive seien unterschiedlich: "Sie handeln oft aus Gier nach noch mehr Gewinn oder weil sie ihren verschwenderischen Lebensstil finanzieren müssen", hielt Knecht weiters fest.

Laut Knecht sei es schwierig, Wirtschaftskriminelle anhand dieser Merkmale zu erkennen: "Auch wenn bereits bei der Rekrutierung Abklärungen auf solche Persönlichkeitsstörungen durchgeführt werden, wissen die Betroffenen oft, wie sie die Tests austricksen können." Besonders Grossunternehmen, in denen Anonymität, Fluktuation und kurzfristige Gewinnziele herrschten, seien anfällig für wirtschaftskriminelle Aktivitäten. "Das System liefert die Chancen, das Individuum nutzt sie aus", erläuterte Knecht. Anders sehe es laut Knecht in Familienunternehmen aus: "Der Profit ist gemeinsam erwirtschaftet und die Verwandtschaft hat einen schützenden Effekt gegen solche Machenschaften."

Das nächste St.Galler Forum für Finanzmanagement und Controlling des Instituts für Finance und Law der OST findet am 14. August 2026 statt.



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