Kampagne gegen Gesichtserkennung im öffentlichen Raum gestartet (Symbolbild: Pixabay/ Geralt)

Der Einsatz von Gesichtserkennungssystemen breitet sich derzeit in Europa rasant aus. Gesetzliche Schranken gegen die Überwachung mittels Gesichtserkennung fehlen jedoch. Auch in der Schweiz sei damit zu rechnen, dass gesetzliche Grundlagen geschaffen werden, die den breiten Einsatz dieser Technologien erlauben – oder dass diese ohne ausreichende gesetzliche Grundlage zunehmend eingesetzt werden. Vor diesem Hintergrund fordert ein Bündnis aus Amnesty International, Algorithmwatch CH und der Digitalen Gesellschaft ein Verbot von automatischer Gesichtserkennung und biometrischer Massenüberwachung in der Schweiz. Gemeinsam lancieren die Organisationen eine Petition für ein solches Verbot.

Obwohl biometrische Daten zu den besonders schützenswerten Personendaten gehören, gibt es laut Mitteilung des Bündnisses kein explizites Verbot gegen die Verwendung von Gesichtserkennungssystemen in der Schweiz. Neue Recherchen zeigten, wie Schweizer Polizeibehörden bereits heute umstrittene Gesichtserkennungssoftware verwenden würden. Obwohl unklar bleibe, ob die gesetzliche Grundlage dafür jeweils vorhanden oder ausreichend sei, würden diese Systeme bereits heute eingesetzt. Erik Schönenberger, Geschäftsleiter der Digitalen Gesellschaft, sagt: "Das ist ein besorgniserregender Schritt zu einer flächendeckenden und permanenten Massenüberwachung, bei der nicht nur Schwerverbrecher:innen ins Visier geraten, sondern die gesamte Bevölkerung."

Die grösste Gefahr drohe dabei durch eine Kombination von Videoüberwachung und Gesichtserkennung. Immer mehr Länder setzten Gesichtserkennungstechnologie zur Überwachung des öffentlichen Raums ein – vor allem mit dem Argument, die nationale Sicherheit zu schützen. Verdächtige sollen rasch identifiziert und überwacht werden. Die massive Verletzung der Grundrechte der gesamten Bevölkerung werde ignoriert. Auch wirkten Gesichtserkennungstechnologien oft diskriminierend, da sie tendenziell nicht-weisse und nicht-männliche Gesichter weniger gut erkennen.

Angela Müller, Senior Policy & Advocacy Managerin bei Algorithmwatch CH, konstatiert dazu: "Wenn wir im öffentlichen Raum mittels Gesichtserkennungssystemen jederzeit identifiziert oder verfolgt werden können, verletzt dies die Privatsphäre und schreckt Menschen davon ab, an Demonstrationen teilzunehmen oder ihre Meinung offen zu äussern". Die Rechte auf Meinungs- oder Versammlungsfreiheit seien für das Funktionieren der demokratischen Gesellschaft der Schweiz jedoch von zentraler Bedeutung und dürften nicht untergraben werden, so Müller.

"Die Massenüberwachung muss verhindert werden, damit die Wahrung der Grundrechte auch weiterhin garantiert werden kann", hält Lukas Hafner, Experte für Technologie und Menschenrechte bei Amnesty International fest. Amnesty International, Algorithmwatch CH und die Digitale Gesellschaft würdem daher eine Petition lancieren, die ein Verbot der automatischen Gesichtserkennung und anderer biometrischer Überwachungssysteme im öffentlichen Raum fordern, teilen sie per Aussendung mit. Auch mehrere politische Akteure setzten sich für ein Verbot ein und hätten entsprechende Vorstösse in Zürich und Lausanne eingereicht. Zeitgleich lancieren die drei zivilgesellschaftlichen Organisationen die Kampagne gesichtserkennung-stoppen.ch, die auf die Gefahren der neuen Technologien aufmerksam machen soll.