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Im Rahmen des vierten Swiss eHealth Barometer wurden erstmals auch Stimmberechtigte zum Thema eHealth befragt. 59 Prozent unterstützen demnach das elektronische Patientendossier und sogar 73 Prozent glauben insgesamt an den Nutzen von eHealth.

Je näher IT ihrem Alltag ist, desto überzeugter sind sie davon. Das ergibt eine paradoxe Situation: Ältere Menschen äussern eher Vorbehalte gegenüber eHealth, sind aber auch eher von chronischen oder mehreren Krankheiten gleichzeitig betroffen. Sie könnten am meisten von eHealth profitieren.

Von Fachleuten wird eHealth grosses Potenzial zugeschrieben. So erfährt auch die Einführung von elektronischen Krankengeschichten (eKG) in den letzten Jahren eine hohe Dynamik. Der Kulturwandel hin zur eKG in Arztpraxen ist also gestartet, während dieser im Bereich der Klinikinformationssystem (KIS) bereits läuft: Fast alle Spitalsärztinnen und -ärzte arbeiten damit, viele sind zurzeit mit den Systemen unzufrieden. Der Change-Prozess ist in vollem Gange und bringt auch erste Unzufriedenheit mit sich. In Apotheken, die im Rahmen des Swiss eHealth Barometers erstmals befragt wurden, wird IT der Fachlogik entsprechend intensiv genutzt. Lösungen für Logistik und Administration sind für ApothekerInnen Apotheker zentral. Der Grundgedanke von eHealth als Vernetzung verschiedener Gesundheitsakteure ist allerdings ausser bei der Übermittlung von Labor- oder Bilddaten noch kaum in der Breite realisiert. Hierfür wäre das elektronische Patientendossier ein Meilenstein, welches mehrheitlich gutgeheissen wird. Divergenz besteht bei der Beurteilung der Qualifikation von PatientInnen in Bezug auf Datenzugang und Datenfreigabe. Fachpersonen zeigen sich kritischer als die Betroffenen selbst, wie ein Vergleich mit der Zusatzstudie zum Swiss eHealth Barometer «Öffentliche Meinung eHealth» zeigt.

Im Auftrag der InfoSocietyDays wurden zwischen Anfang Januar und Anfang Februar zum vierten Mal Ärztinnen und Ärzte, IT- und eHealth-Verantwortliche und Kaderangestellte der Spitäler und eHealth-Verantwortliche der Kantone durch das Forschungsinstitut gfs.bern zum Stand und zur Entwicklung von eHealth in der Schweiz befragt. Erstmals wurden auch Apothekerinnen und Apotheker befragt. Neben dem Swiss eHealth Barometer wurde dieses Jahr auch erstmals eine Zusatzstudie zur Öffentlichen Meinung über eHealth in der Schweiz durchgeführt.

Das zukünftige Potenzial für Verbesserungen dank eHealth im eigenen Arbeitsumfeld wird von 54 Prozent der Ärztinnen und Ärzte als eher bis sehr gross eingeschätzt, 67 Prozent der IT-Verantwortlichen und Kaderangestellten und 68 Prozent der Apothekerinnen und Apotheker teilen diese Ansicht. An konkreten Beispielen gemessen, schätzen letztere das Potenzial, ausser in den Bereichen administrative Abläufe und Kooperation der verschiedenen Akteure im Gesundheitswesen, am höchsten ein. Die Ärzteschaft ist grundsätzlich, wenn auch auf einem hohen Niveau, kritischer als ApothekerInnen sowie Kaderangestellte beziehungsweise IT-Verantwortliche in Spitälern bei der Beurteilung des Potenzials von eHealth.

Auch die hohe Dynamik in der Einführung der elektronischen Krankengeschichte in Arztpraxen weist auf das Vertrauen in das Potenzial von eHealth hin. 14 Prozent der Praxis- und Belegärzte geben an, die elektronische Krankengeschichte seit weniger als einem Jahr zu nutzen, 20 Prozent nutzen diese seit 1-2 Jahren, 28 Prozent seit 3-5 Jahren. Demgegenüber nutzt nur knapp ein Viertel derer, die diese mindestens teilweise elektronisch führen, die elektronische Krankengeschichte seit 6 Jahren und länger. Die hohe Dynamik weist daraufhin, dass der Kulturwandel im Bereich eKG gestartet ist. Die in Arztpraxen verwendete elektronische Dokumentation (eKG) wird grundsätzlich besser beurteilt als die elektronische Dokumentation des Spitals (KIS) in dem man arbeitet. Praxisärzte sind mit der eKG zu 77 Prozent mindestens eher zufrieden, Belegärzte zu 62 Prozent. Das KIS ihres Spitals wird hingegen lediglich von 48 Prozent der Spitalärzte als zufriedenstellend beurteilt, bei den Belegärzten sind es noch 41 Prozent. Mögliche Gründe dafür sind der in den Spitälern bereits laufende Kulturwandel, welcher erste Unzufriedenheiten im Change-Prozess mit sich bringt und auch, dass Klinikinformationssysteme heterogenere Anspruchsgruppen betrifft als die eKG.

Akzentverschiebung bei Treibern von eHealth in den Kantonen

In den Kantonen hat in Bezug auf die treibenden Kräfte von eHealth eine Akzentverschiebung stattgefunden. Die zentralste Rolle spielen nach wie vor eHealth Suisse und die Gesundheitsdirektorenkonferenz. Kantonale Behörden jedoch treten in den Hintergrund, während die Leistungserbringer selbst aus Sicht der eHealth-Verantwortlichen der Kantone eindeutig wichtiger werden.

Grundsätzlich findet in allen untersuchten Zielgruppen der elektronische Datenaustausch insbesondere im administrativen Bereich statt, so auch bei den Praxisärzten, am wenigsten bei den Spitalärzten, welche eher angeben, dass die Übermittlung von Labor- und Bilddaten mit anderen Systemen zentral ist.

Stolperfalle Datenschutz

Das elektronische Patientendossier wird von Mehrheiten der verschiedenen Fachleute und den Stimmberechtigten gutgeheissen. Als wichtiger Vorteil werden insbesondere die Verbesserung der Behandlungsqualität und der Qualität des Datenaustauschs gesehen. Die Ärzteschaft befürchtet jedoch wie auch im Rahmen der eKG den zusätzlichen Aufwand und die Abhängigkeit von Softwarefirmen. Divergenz besteht bei der Beurteilung der Qualifikation von PatientInnen in Bezug auf Datenzugang und Datenfreigabe. Fachpersonen zeigen sich kritischer als die Betroffenen selbst, wie ein Vergleich mit der Zusatzstudie zum Swiss eHealth Barometer «Öffentliche Meinung eHealth» zeigt. Studienleiter Lukas Golder von gfs.bern vergleicht die Ausgangslage mit der Debatte über Managed Care. Obwohl Managed Care in der Ausgangslage von Stimmberechtigten kritischer beurteilt wurde als das elektronische Patientendossier warnt er: «Elektronisches Patientendossier: Unterschiedliche Wahrnehmungen und Bedürfnisse für den Datenschutz mit Care managen, damit eHealth nicht zum Schiffbruch à la Managed Care wird!».

Paradox: Ältere Menschen mit grösseren Vorbehalten

Die Zusatzstudie bei Stimmberechtigten zeigte, dass eHealth noch weitestgehend unbekannt ist. Allerdings besteht in der Bevölkerung das Vertrauen, dass die medizinische Versorgung computergestützt verbessert werden kann. Im Zentrum steht der Nutzen im effizienten Austausch zwischen Ärzten, weniger wichtig scheint der eigene Zugang zu den Daten (auch wenn man sich ausreichend qualifiziert dafür einschätzt) und Vorbehalte gegenüber dem Datenschutz. Je vertrauter der eigene Umgang mit Informatikmitteln ist, desto geringer sind die Vorbehalte gegenüber eHealth, da bei Gesundheitsfragen bereits heute das Internet alltäglich ist. Das gilt insbesondere für jüngere Menschen, aber auch eher für Männer als für Frauen. Je älter eine Person ist, desto eher besteht Unwissen zum Thema. Ältere Personen sind zwar auch mehrheitlich vom Nutzen von eHealth überzeugt, äussern aber grössere Vorbehalte gegenüber dem Datenschutz oder Bedenken, wegen der eigenen Qualifikation im Umgang mit Daten. Dies ist an sich paradox. Ältere Menschen könnten aufgrund der höheren Risiken, von chronischen oder multiplen Krankheiten betroffen zu sein, deutlich stärker von eHealth profitieren als Personen, die nicht dauerhaft die Unterstützung von verschiedenen Gesundheitsakteuren in Anspruch nehmen müssen.

Das Studiendesign
Das Swiss eHealth Barometer liefert jährlich einen aktuellen Befund zum Stand und zur Entwicklung von eHealth in der Schweiz. Im Auftrag der InfoSocietyDays wurden im Zuge einer Online-Befragung im Januar/Februar 2013 durch das Forschungsinstitut gfs.bern 531 repräsentativ ausgewählte Ärztinnen und Ärzte, 20 der angeschriebenen 26 eHealth- Verantwortlichen auf Ebene der Kantone, 68 eHealth-Verantwortliche von Spitälern, sowie erstmal auch 367 repräsentativ ausgewählte Apothekerinnen und Apotheker. Für die Zu- satzstudie «Öffentliche Meinung eHealth» wurden auf Basis computergestützter Telefoninterviews (CATI) 1011 Stimmberechtigte in der Schweiz in allen drei Sprachregionen befragt. Das Swiss eHealth Barometer steht unter dem Patronat der FMH, der «eHealth Suisse», der pharmaSuisse, dem Bundesamt für Gesundheit, den Gesundheitsdepartementen der Kantone Luzern, St. Gallen, Waadt und Zürich. Weiter mitgetragen wurde die Studie durch die Ärztekasse, HIN, Bluecare und Siemens. Die Zusatzstudie zur «Öffentlichen Meinung eHealth» steht unter dem Patronat der FMH und dem Bundesamt für Gesundheit.

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