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Die EU-Kommission hat ihren Richtlinienentwurf "für das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt" vorgestellt. Dem Entwurf, der in Teilen zuvor bereits ins Netz geraten war, schlug umgehend scharfe Kritik entgegen, weil es vor allem aufgrund des geplanten umfassenden, 20 Jahre langen Leistungsschutzrechts für Presseverleger im Internet Kernbestandteile der Internetfreiheiten wie das Verlinken oder die Informationsvielfalt massiv unterwandere.

Der Geschäftsführer des IT-Branchenverbands Bitkom, Bernhard Rohleder, warnt etwa, dass die Gefahr bestehe, dass Suchmaschinen journalistische Texte aus ihrer Suche komplett entfernten. "Das Web würde ärmer", so Rohleder. Darunter würden vor allem kleinere Verlage leiden, weil ihre Angebote nicht mehr zu finden seien und die Nutzer stattdessen nur auf die Nachrichtenseiten der bekannten Verlage zugriffen.

Digitalkommissar Günther Oettinger (CDU) will, dass Suchmaschinen oder andere Webseiten nicht einmal kürzeste Artikelauszüge in Form von "Snippets" anzeigen dürfen, wenn sie auf journalistische Texte verweisen. Zudem könnte selbst das Kopieren unter das neue Schutzrecht fallen. Dies komme etwa zum tragen, wenn Suchmaschinen Artikel indexierten.

Oliver Süme, Vorstand Politik und Recht beim ECO-Verband der Internetwirtschaft, bezeichnete es als "unbegreiflich", dass nach dem deutschen Gesetzgeber nun die Kommission den "Irrweg" eines Leistungsschutzrechts beschreite. Dies werde sich "als Hemmschuh für die gesamte Informationsgesellschaft und Digitalisierung entpuppen". Allen Akteuren drohe "massive Rechtsunsicherheit".

Darüber hinaus sieht die Richtlinie der Kommission vor, Host Provider zu verpflichten, eine Software zu installieren, die Inhalte automatisch erkennt und so illegal hochgeladene Werke ausfiltern kann. Sie sollen zudem verpflichtet werden, Lizensierungsvereinbarungen mit Rechteinhabern abzuschließen. Auch diese Überlegungen zum sogenannten „Value Gap“ seien aus Sicht der Internetwirtschaft hochproblematisch, schreibt der ECO-Verband. Unternehmen würden so zu Vertragsabschlüssen mit den Rechteinhabern gezwungen. Derzeit sei noch vollkommen unklar, wie die geplanten Regelungen zu interpretieren seien. Klar sei aber, dass sie sich massiv auf die bestehenden Regelungen der E-Commerce-Richtlinie und das dort geregelte Haftungsgefüge auswirken würden. "Die Pläne der EU-Kommission sind ein herber Rückschritt für die Verwirklichung des digitalen Binnenmarkts", konstatiert Süme.

Dazu komme ein enormer Wettbewerbsnachteil für kleinere Unternehmen: Denn Plattformen wie Youtube nutzten bereits Software zur Erkennung von "Content ID“. Für kleinere Marktteilnehmer könne ein solches Erfordernis, aufgrund des finanziellen Aufwands bei der Einführung und Implementierung allerdings zu massiven Problemen führen. "Ein Urheberrechtsgesetz mit entsprechenden Einschränkungen würde kleine, innovative Firmen oder Startups benachteiligen, denen es bei den Lizenzverhandlungen unter Umständen an der Verhandlungskraft gegenüber den marktmächtigen Rechteverwertern fehlt. Ebenso werden diese Unternehmen oft nicht über die erforderlichen finanziellen Möglichkeiten verfügen, die von der Kommission geforderte Content-ID-Systeme zu entwickeln“, sagt Süme. So könnte sich die neue Richtlinie schnell zu einem Instrument entwickeln, das kleinere Unternehmen vom Markt verdrängt.

Für unzureichend hält der Bitkom auch die vorgesehenen Regeln zum Rechtekauf für die Betreiber von Internet-Fernsehen via IPTV. Betreiber geschlossener Netzwerke sollten künftig zwar bei den zuständigen Verwertungsgesellschaften Lizenzen für TV-Produktionen, Filme oder Musiksendungen an zentraler Stelle erwerben können. Anbieter wie Zattoo, Magine oder TV-Spielfilm profitierten davon aber nicht.

Digitalkommissar Günther Oettinger hatte vorab bereits versucht, die Initiative zu verteidigen. Diese richte sich nicht primär gegen Google, sondern etwa auch gegen Anbieter von News Feeds auf Mobilgeräten oder in sozialen Netzwerken, meinte der Kommissar. Zahlen müsse künftig jeder kommerzielle Nutzer, der Zitate aus einem Nachrichtentext aufgreife. "Rein faktische Überschriften" sollten aber frei bleiben, wenn es sich nicht um eine "eigene intellektuelle Leistung" handle. Der Entwurf geht nun ins EU-Parlament und in den Ministerrat; beide Gremien müssen ihm noch zustimmen.