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Die Software AG ist seit Jahrzehnten im Enterprise Middleware- und Software Plattform-Business. Dabei verfolgt der Deutsche Hersteller aus Darmstadt eine gute Balance zwischen der Weiterentwicklung des bestehenden Portfolios und Akquisen. Die jüngste Akquise, Cumulocity, bringt nicht nur bisher fehlende Funktionalität für das Internet der Dinge (IoT), sondern die wichtige Erfahrung einer Multi-Tenant Cloud-Plattform ins Unternehmen.

Gastbeitrag von Stefan Ried, Principal Analyst & IoT Practice Lead bei Crisp Resarch

Die Zukäufe der Software AG der letzten Jahre konzentrieren sich auf Softwareprodukte, nicht hauptsächlich auf ein mögliches Services Business. Ausserdem brachten die meisten Akquisen der letzten zehn Jahre jeweils eine neue Qualität ins Unternehmen. So wurde durch Webmethods der amerikanische Middleware Markt zugänglich oder durch Terracotta das Verständnis für eine Open Source Community ins Unternehmen gebracht.

Cumulocity bringt die letzte Meile des IoT Stacks

Die zuletzt zugekaufte Cumulocity hat bereits 2010 in Kalifornien begonnen, IoT-Szenarien zu bearbeiten und ging ursprünglich aus der Nokia Siemens Networks hervor. Die Software Lösung konzentriert sich auf die letzte Meile zu Embedded Devices, Sensoren und Controllern. Mehr als 2.500 Entwickler haben sich im Cumulocity Developer Programm registriert und nutzen die Software hauptsächlich für Device Management & Connectivity. Damit stellt Cumulocity eine ideale Ergänzung der Server- oder Cloud-basierten Integrations-Produkte der Software AG dar, die Komponenten von Cumulocity seit einiger Zeit schon als OEM-Bestandteil ihrer Lösungen anbietet.

IoT Device Management analog zu Mobile Devices
Welcher Sensor ist in welchem Raum, an welchem Fahrzeug oder gehört zu welcher Person? Analog zum Mobile Device Management ist die Aufgabe für IoT Assets nicht weniger komplex, da diese kleinen Geräte teilweise nicht einfach zu erreichen sind. Die Funktion hat im Software AG Portfolio vollkommen gefehlt.

Real-Time Analytics und Plug-ins/Apps fokussiert auf IoT Daten
Daten von Sensoren oder Scada Systemen (Supervisory Control and Data Acquisition - industrielle Steuerungssysteme) verändern sich in Echtzeit und müssen auch anders dargestellt werden als übliche Business-Kennzahlen. Dennoch muss die Software AG die Analytics Funktionen von Cumulocity mit den bestehenden Apama- und Mashzone-Produkten zusammenfahren um eine einheitliche Experience für Anwender und Entwickler und einen kleinen Footprint der Gesamtlösung zu erreichen.

Security und Data-Privacy ist ein großes Asset für die Software AG
Natürlich ist die traditionelle Middleware der Software AG auch “sicher”. Aber Cumulocity bringt die multi-tenant Erfahrung aus dem Telco/Carrier-Business ins Unternehmen, die auch Systeme in der Cloud mit der notwendigen Privatsphäre versehen.

Integration konnte die Software AG schon, aber noch nicht “on-the-edge”
Cumulocity bringt Integration und lokale Datenaggregation auf kleine embedded devices, für die die bestehenden Software AG Integrations-Produkte viel zu gross sind. Edge Computing ist essentiell für eine ernst zu nehmende IoT-Plattform.

Device Connectivity und Normalisierung ist ein Ecosystem-Play
Cumulocity ermöglicht durch die Integration von vielen Device-Partnern und Low-Level-Protokollen, inklusive Firmware-Management, einen schnellen Erfolg für IoT-Programmierer. Die Normalisierung ähnlicher Daten im IoT Bereich abstrahiert die Vielfalt der einzelnen Devices. Eine ähnliche Normalisierung bieten zwar auch Hersteller wie Elastic.io oder CloudElements.com für Business Daten an, aber der Ansatz ist neu für das Software AG Portfolio.

All diese Funktionalität bietet Cumulocity als Platform as a Service (PaaS) Dienst an. Wenn man diesen Ansatz der IoT PaaS auch auf die Enterprise Integrations- und Business Process Management Middleware überträgt, könnte - so die Vision von Wolfram Jost, dem Chief Technology Officer (CTO) der Software AG, - eine sehr vollständige PaaS Plattform entstehen.

Auch wenn dies eine technisch umfangreiche Plattform darstellen wird, sollten Anwender in den nächsten Monaten sehr kritisch verfolgen, wie die Software AG mit den Herausforderungen umgeht, die über den Erfolg und damit auch die Stabilität der Software AG Cloud entscheiden:

Go-To-Market und Partnerschaften mit IaaS Providern treiben den Marktanteil
Die grossen IaaS Anbieter wie AWS und Azure bieten inzwischen ihre eigenen iPaaS oder IoT-PaaS Services auf ihrer Infrastruktur. Nicht aber die Telcos, die viel weniger Software in ihrer DNA haben. Insbesondere der Cloud Management Stack, Openstack, spielt eine wichtige Rolle bei den IaaS Angeboten der lokalen Telcos. Die Software AG selbst ist ja kein IaaS Anbieter und muss deshalb eng mit diesen IaaS Providern partnern, die nicht selbst im PaaS Business aktiv sind. Unter dem Aspekt ist die jüngste Partnerschaft der Software AG mit dem führenden Openstack Contributor Huawei ein guter Zug.

Integration der PaaS Komponenten bringt Produktivität
User- und Meta-Daten, Micro-Service Definitionen und viele andere Dinge müssen konsistent über alle Teile der PaaS Landschaft sein. Nur das kann Entwickler überzeugen, die einzelnen Komponenten nicht á la carte bei einem der grossen IaaS & PaaS Player zu subscriben.

Subscription, Provisioning, Billing sind noch lange nicht einheitlich
Die kommerzielle Seite einer PaaS ist auch nicht zu unterschätzen. Nur wenn das Billing auch einer elastischen Provisionierung im Stundentakt hinterher kommt, sind die Plattform Dienste konkurrenzfähig. Auch hier können die Telco-IaaS Partner mit ihren App-Stores und Billing Engines helfen.

Business Model Innovation rund um IoT hilft dem Sales der Software AG
Design Thinking und Innovations-Workshops bringen die meisten Software AG Kunden erst auf die neuen IoT Business Modelle und Use Cases. Die Software AG muss das Potential aktiv wecken und kann sich nicht auf den kalkulierbaren Bedarf verlassen, den es in der klassischen Middleware gibt. Hier sind zukünftig neue Formate und Beratungs-Expertise gefragt.

Globales Wachstum der Software AG bleibt kritisch
Die ganze Software AG ist mit einem 2016er Umsatz von 872 Millionen Euro der kleinste unter den global agierenden PaaS-Anbietern mit einem IoT Offering wie Microsoft, Amazon Web Services, IBM, Salesforce.com, SAP und Google. Nur 263 Millionen Euro entfielen auf Lizenzen und 412 Millionen auf Maintenance, während Cloud Subscriptions nicht explizit reported wurden. Nur wenn die Software AG es schafft, ihre Cloud oder ihren Technologie-Stack auf den erfolgreichen IaaS-Clouds zum Wachstumsmotor zu entwickeln, kann man als Software AG Kunde sicher sein, dass der Marktanteil und damit auch die Investitions- und Innovationsfähigkeit erhalten bleiben.

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Quelle: Cumulocity.com
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Quelle: Crisp Research