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Aus der Sicht von Mike Silberman, Managing Director Software AG Switzerland, ist die Digitalisierung eine fortschreitende Entwicklung, die nicht mehr aufzuhalten ist und auch nicht aufhören werde. Wohin die Reise hinsichtlich Industrie 4.0, IoT oder etwa auch Blockchain-Technologien geht, erläutert er im Interview mit ICTkommunikation. Das Interview führte Karlheinz Pichler.

ICTkommunikation: Die Software AG rühmt sich, die erste Digital Business Plattform entwickelt zu haben. Worauf gründet sich diese Behauptung?

Mike Silberman: Wir haben die Digital Business Platform vor zwei Jahren (2014) auf unserer Hausmesse Innovation World in den USA erstmalig vorgestellt. Zu jenem Zeitpunkt hatte kein anderer Software-Hersteller ein derartiges Angebot im Portfolio. Mittlerweile gibt es verschiedene Firmen, die ähnliche Software-Plattformen anbieten, allerdings verfügt keine davon über die umfassende Technologie, die unser Flaggschiff-Produkt zu bieten hat.

ICTkommunikation: In der IT war ja immer schon alles digital. Was macht denn den eigentlichen Unterschied zwischen IT und Digitalisierung – respektive digitaler Transformation – aus?

Mike Silberman: Das stimmt, die IT beschäftigt sich seit ihrer ‚Erfindung‘ mit digitalen Daten. Allerdings hat es im Laufe der Jahre viele verschiedene Phasen gegeben, die sich jeweils darin unterschieden, wie viele Daten erzeugt wurden und wie damit umgegangen wurde.
Momentan sprechen wir von der vierten industriellen Revolution. Mehr und mehr Endgeräte, auch mobile, sind in der Lage, Daten zu erzeugen. Alles, was irgendwie digitalisiert werden kann, wird zunehmend auch digitalisiert werden.
Im kommerziellen Bereich sehen Sie es an Beispielen wie Conextrade (Swisscom, grösste schweizerische B2B-Plattform), Swisscard oder SIX, alles sehr erfolgreiche Unternehmen, die mit Daten und unserer Technologie ihr Geld verdienen, also rein virtuellen Produktionsmitteln. In der Industrie findet gerade eine Revolution statt, bei der die Produktionsmittel Daten erzeugen und empfangen und so zum Beispiel eine Produktionsanlage schon im Voraus signalisieren kann, dass sie demnächst gewartet werden muss.
Die Digitalisierung hat alle Branchen erfasst, so etwa die Finanzbranche, die sich mit den Herausforderungen der Fintechs auseinandersetzen muss, oder den Handel, der sich mit dem Thema Omnichannel und Customer Journey anfreunden sollte. Das ist die Kernbotschaft der digitalen Transformation: Unternehmen müssen digitale Prozesse einführen, oder es wird sie nicht mehr lange geben.

ICTkommunikation: Die ganze Digitalisierungswelle führt auch zu neuen Geschäftsmodellen, wie sie etwa von Uber oder AirBnB vorexerziert werden. Sind klassische Geschäftsmodelle denn auf lang oder kurz zum Aussterben verdammt oder wird es zwischen Alt und Neu zu einer Art Gleichgewicht kommen?

Mike Silberman: Unternehmen, die ihre Prozesse konsequent auf Digitalisierung setzen, haben natürlich eine sehr gute Chance zu überleben. Nur wer auf dem Status quo verharrt, wird über kurz oder lang untergehen. Die Digitalisierung erfordert ein Umdenken, sie erfordert die Fähigkeit, über den Tellerrand hinaus zu schauen und alle Elemente der Wertschöpfungskette zu berücksichtigen und einzubinden. Ausserdem ist Innovation gefragt, wie es z.B. Accarda (Kundenkarten Ikea, BP, Möbel Pfister, Media Markt) mit unserer Technologie vormacht: Kundenzufriedenheit messen und verbessern, Antwortzeiten reduzieren und Qualität sicherstellen.
Es gibt genügend Vorbilder und gute Beispiele, wie Unternehmen die digitale Transformation bewältigen. Wir sehen es bei unseren Kunden aus dem Finanzsektor, dem Handel, der Industrie. Wir arbeiten eng mit unseren Kunden zusammen, um die nötigen Innovationen zu identifizieren und dann auch umzusetzen. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von Co-Innovation. Kein Software-Hersteller kann mehr vorhersehen, was der Kunde benötigt. Nur in intensiver Kooperation kann das Neue entstehen und zum Erfolg gebracht werden.

ICTkommunikation: Wenn man die Entwicklung der Digitalisierung als Kurve (be)schreibt – an welchem Punkt hält gegenwärtig die Digitalisierungswelle?

Mike Silberman: Aus meiner Sicht ist die Digitalisierung eine fortschreitende Entwicklung, die nicht mehr aufzuhalten ist und auch nicht aufhören wird. Und, wir stehen erst ganz am Anfang, weil die Geschäftsprozesse noch nicht auf die digitale Wirklichkeit ausgerichtet sind. Viele Daten sind digital erfasst und vorhanden, nur die Geschäftsprozesse sind noch auf manuelle Erfassung ausgerichtet, bestenfalls auf hybride Prozesse, die teils analog und teils digital sind.

ICTkommunikation:
Im Rahmen dieser ganzen digitalen Transformation stellen auch Thema wie das Internet der Dinge (IoT) eine tragende Rolle. Wie steht man bei der Software AG dem IoT-Hype gegenüber?

Mike Silberman:
Internet der Dinge, Industrie 4.0 oder auch das ‚Industrial Internet‘ sind aus meiner Sicht kein Hype, sondern ein unverzichtbarer Entwicklungsschritt der Industrie auf dem Weg der digitalen Transformation. Unternehmen, die diesen Schritt gehen, sind zukunftsfähig. Nehmen wir den Flughafen Zürich, wo Daten aller Türen, Parkplätze und Fahrzeuge mit unserer Technologie konstant verfolgt und integriert werden. Nur so ist ein reibungslosen Betrieb möglich und auch sicher. Wir arbeiten mit vielen namhaften Kunden bei der Integration zusammen und sind davon überzeugt, dass das Internet der Dinge bereits Realität ist.

ICTkommuniaktion: Unter IoT versteht man heute vorerst einmal, die Dinge mit dem Internet zu verbinden. Im Kern geht es aber vor allem darum, Daten zu sammeln. Wo liegt denn der eigentliche Wert der Daten, an die man durch IoT gelangt – Stichwort Big Data?

Mike Silberman: Die Daten an sich sind noch nicht wirklich wertvoll, sie sind nur der Rohstoff, so wie das Öl, das im Rohzustand ja auch nicht verwendet werden kann. Es muss erst raffiniert werden. Viele unserer Kunden stehen vor einem riesigen Datenberg und wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen. Erst die richtige Analyse- und Auswertungssoftware hilft, die richtigen Informationen aus den Daten herauszufiltern. Das allein ist aber noch nicht das wirklich Revolutionäre – die Geschwindigkeit, mit der es heute möglich ist, Datenanalysen aus den riesigen Datenmengen zu fahren, das ist es, was die Revolution ausmacht. Datenanalyse in Echtzeit ist hier das Stichwort, d.h., geschäftskritische Entscheidungen in Sekundenschnelle treffen zu können, basierend auf entscheidungsrelevanten Daten. Wir bieten dazu eine umfassende Lösung an, die aussagekräftige Kennzahlen aus Datenströmen, die zum Beispiel durch das Internet der Dinge erzeugt werden, extrahiert.

ICTkommuniaktion: Welche Rolle messen Sie der Blockchain-Technologie in der weiteren Entwicklung des IoT zu?

Mike Silberman: Die Blockchain-Technologie ist noch nicht im Mainstream angekommen, sie wird als kompliziert empfunden und befindet sich noch am Anfang der Entwicklung. Ihre Bedeutung ist jedoch immens und sollte auf jeden Fall im Auge behalten werden. Wir beschäftigen uns auf Expertenebene sehr intensiv mit Blockchains und bauen bereits die ersten Lösungen mit unserer Technologie auf.

ICTkommuniaktion: Viele Experten sehen im IoT die grösste Gefahrenschleuder der Zukunft. Ist aus Ihrer Sicht die Security-Problematik in Bezug auf IoT bewältigbar?

Mike Silberman: Dazu kann ich nur spekulieren, wie jeder andere auch. Aber meiner Meinung nach wird Kriminalität, die es sowieso schon gibt und auch immer schon gegeben hat, nur verlagert. Sicherlich wird es immer Hackerangriffe geben, und mit steigender Digitalisierung wird auch die Cyber-Kriminalität ansteigen.
In einer digitalisierten Welt gibt es verschiedene Vorsichtsmassnahmen, nicht nur im Bereich von Sicherheitssoftware, sondern durch selbstverständliche Gewohnheiten oder Prozesse. Dazu gehören zum Beispiel Redundanzen schaffen oder die Verteilung von Daten in Prozessen.

ZUR PERSON
Mike Silberman begann seinen beruflichen Werdegang bei IBM Schweiz und wurde nach verschiedenen Stationen Direktor der IBM Unternehmensberatung Deutschland. Vor seiner Ernennung zum Geschäftsführer der Software AG Schweiz, war er Geschäftsführer eines mittelständischen IT-Dienstleisters und Software-Herstellers mit Sitz in München. Seine Tätigkeit ist darauf fokussiert, Unternehmen zu helfen ihre Effizienz zu steigern, ihre Systeme zu modernisieren und ihre Prozesse zu optimieren, um qualifizierte Entscheidungen zu treffen und einen besseren Service zu erbringen. Seine Freizeit verbringt er gern mit seiner Familie, ausserdem beschäftigt er sich mit dem Ski, Segel- und Tauchsport.

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Mike Silberman, Managing Director, Software AG Switzerland (Fotos: SAG)