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IT-Abteilungen stehen immer stärker vor der Herausforderung, nicht nur als Kostenfaktor sondern als Service Provider oder besser noch als Partner betrachtet zu werden. Die Einführung von IT Service Management verspricht genau dies. Doch ist dies wirklich ein Erfolgsgarant? Was bedeutet es wirklich, Service Provider zu sein?

(Gastbeitrag von Beatrice Vögele, Senior Consultant bei Swisscom Grossunternehmen)

Mit der zunehmenden Kapazität der Datennetze wächst für interne IT-Abteilungen die Konkurrenz durch externe IT Service Provider, welche innovative und kostengünstige IT-Services anbieten. Die Konkurrenz ist längst nicht mehr nur lokal, sondern zunehmend auch global tätig, insbesondere bei Infrastruktur Services. Interne IT-Abteilungen müssen in diesem Wettbewerb bestehen können, wollen sie nicht Gefahr laufen, früher oder später einem Outsourcing oder der inzwischen allgegenwärtigen Cloud zum Opfer zu fallen. Sie müssen sich gegenüber den Businessbereichen als kostengünstiger und zuverlässiger IT Service Provider positionieren, der deren Bedürfnisse versteht und die Geschäftsziele mit seinen Services bestmöglich unterstützt. Diese Herausforderungen sind nicht neu. IT Service Management (ITSM) ist schon seit gut zehn Jahren für viele Unternehmen ein Thema und hat zum Ziel, die interne IT zum Service Provider auszurichten. ITSM-Frameworks wie beispielsweise Itil sind inzwischen weit verbreitet. Dennoch stellt sich die Frage, ob sich das Standing der IT gegenüber den Businessabteilungen mit der Einführung von ITSM tatsächlich verbessert hat? Ein ehrlicher Blick in den Spiegel lässt diese Frage oftmals verneinen. Gründe dafür gibt es verschiedene.

Qualität versus Flexibilität

Die Einführung von IT Service Management kann nicht im Sinne eines flächendeckenden „Big Bang“ erfolgen. Vielmehr muss man sich auf jene Bereiche und Prozesse konzentrieren, bei denen der grösste Handlungsbedarf besteht. Meistens sind dies betriebsnahe Prozesse. Dort – an der Schnittstelle zum Enduser – kommen allfällige Unzulänglichkeiten am stärksten zum Vorschein, beispielsweise in Form von instabilen Services oder unzufriedenen Anwendern. In den meisten IT-Abteilungen sind deshalb hauptsächlich betriebsnahe ITSM-Prozesse wie Incident oder Change Management etabliert, die den Fokus auf die Qualität und Verfügbarkeit der Services sowie einen stabilen Betrieb legen. Dies ist das Fundament eines jeden Service Providers – nur damit allein lassen sich keine Lorbeeren ernten. Denn mehr Stabilität gewinnt man nicht kostenlos und die Einführung von Change Management Prozessen führt zwangsläufig zu einem gewissen Verlust an Flexibilität für den Kunden. Um die Qualität des Services sicherzustellen, muss klar definiert werden, was der Service beinhaltet, und damit auch, was nicht Bestandteil der Serviceerbringung ist. Diese Einschränkungen in der Serviceleistung werden vom End User in der Regel nicht honoriert, sondern als Rückschritt wahrgenommen. Denn einen stabilen Service setzt er als selbstverständlich voraus, ebenso die flexible Umsetzung von Anforderungen – beides Schlüsselfaktoren für die Kundenzufriedenheit. Die IT wird in Folge als schwerfällig wahrgenommen. Wo früher kleine Änderungen quasi auf Zuruf rasch durchgeführt wurden, sind heute plötzlich umständliche Bewilligungsverfahren nötig. Die Umsetzung von neuen Anforderungen dauert zu lange und als Umgehungslösung werden oft informelle Wege und Lösungen gesucht. Das Business fühlt sich oft nicht verstanden und die IT wird nicht wie gewünscht zum Partner, sondern zum Bremsklotz oder gar Spielverderber.

Klare Ausrichtung dank Strategie

Wie kann dies verhindert werden? Lieber auf Prozesse wie Change Management verzichten? Natürlich nicht – doch darf vor lauter Fokussierung auf betriebsnahe Prozesse nicht vergessen werden, dass diese nur ein Teil von IT Service Management sind. Genauso wichtig sind die strategischen Aspekte des Service Managements. Wie jedes Unternehmen, das im Markt langfristig bestehen will, braucht auch die interne IT eine Strategie. Fragen wie, wer genau sind die Kunden, welche Services kann und will man heute und in Zukunft anbieten, welche Bedürfnisse hat das Business und welchen Mehrwert generiert man für den Kunden etc, müssen beantwortet werden. Zentral ist dabei auch die Überlegung, welche Services selbst erbracht werden sollen und welche von einem externen Service Provider bezogen werden. Diese Überlegungen sind elementar, will man sich als IT-Abteilung tatsächlich als Partner beim Business positionieren und nicht nur als Kostenfaktor wahrgenommen werden.

Eine Schlüsselfunktion liegt daher klar bei der IT-Chefetage – es braucht eine Service Strategie, in der die genannten Fragen adressiert und beantwortet werden. Diese wird vom Service Provider festgelegt und definiert, welche Leistungen zur Unterstützung des Geschäfts im Service Portfolio aufgenommen werden. Ein wichtiges Element des Service Portfolios ist der Service Katalog mit den einzelnen Service-Beschreibungen. Er legt fest, welche Leistungen im Service enthalten sind und in welcher Qualität resp. mit welcher Verfügbarkeit der Service erbracht wird. Wichtig dabei ist auch, dass dabei die zukünftigen Anforderungen an das Business berücksichtig werden, sodass proaktiv Updates und neue Services geplant werden können. Das Service Portfolio ist aber mehr als eine Auflistung von geplanten und aktuellen Dienstleistungen. Es sollte auch Aussagen zum Business Value machen, den man mit der Art und Qualität der Services, der Preisstruktur etc. zu erbringen gedenkt. Das Service Portfolio stellt eine Value Proposition dar, die die IT-Abteilung gegenüber den Kunden vertritt. In der Praxis wird häufig beobachtet, dass das Service Portfolio und der Service Katalog – sofern er überhaupt existiert – den Businessbereichen nicht bekannt sind oder sie sich nicht damit identifizieren können. Abhilfe kann hier ein gemeinsames Erarbeiten der Grundlagen schaffen. Dazu zählt auch ein gemeinsames Verständnis des Geschäftes und wie dieses durch die IT unterstützt werden könnte. Gegenüber externen Service-Providern, die zwar mit einer grösseren Masse gewisse Skaleneffekte nutzen können, hat eine interne IT hier einen ganz entscheidenden Wettbewerbsvorteil: Die Möglichkeit, den Kunden so gut zu kennen wie sonst kein anderer Anbieter.

Tu Gutes und sprich darüber

Bei Inanspruchnahme eines Services muss klar vereinbart werden, welche Pflichten und Rechte damit verbunden sind. Das Verständnis über die zu erbringenden Leistungen muss sowohl auf Kunden- als auch auf Providerseite übereinstimmen. Nur dann sind die Kunden zufrieden. Ein gutes Instrument dafür stellt das Service Level Agreement (SLA) dar, welches im Rahmen des Service Level Management abgeschlossen und kontrolliert wird. Werden Services von einem externen Provider bezogen, ist dies eine Selbstverständlichkeit – SLAs zwischen internen Abteilungen hingegen gehören in vielen Fällen immer noch zur Ausnahme, insbesondere dann, wenn die Leistungen intern gar nicht verrechnet werden. Der Abschluss von SLAs bedingt jedoch nicht nur seitens Service Provider ein Umdenken, sondern auch auf Kundenseite. Die Vereinbarung über den zu erbringenden Service ist für beide Parteien bindend und Leistungen, die den Umfang des SLAs überschreiten, sind gesondert zu betrachten.

Das Reporting über den Erfüllungsgrad geleisteter Services ist ein weiterer Schlüsselfaktor. Damit kann aufgezeigt werden, welchen Wertbeitrag die IT dem Business erbringt. Das Reporting ist eines der wichtigsten Marketing-Instrumente, welches der internen IT zur Verfügung steht. Es ermöglicht der IT, ihre Visibilität im Business zu erhöhen und aufzuzeigen, wie gut die Leistungsversprechen als Service Provider eingehalten wurden. „Tu Gutes und sprich darüber“ – ein Leitsatz, der in der IT heute allzu oft sträflich vernachlässigt wird.

Die Herausforderungen für die interne IT sind heute vielfältig. Sie bewegt sich in einem Verdrängungsmarkt in Konkurrenz zu externen Anbietern, gegen die sie sich behaupten muss. Um dabei erfolgreich zu sein, muss sie sich gegenüber den Businessbereichen als Service Provider und strategischer Partner positionieren. Die operative Erbringung von qualitativ hochstehenden und verfügbaren Services ist dabei die Grundlage – jedoch nur die halbe Miete. Um den Weg zum Service Provider erfolgreich zu Ende zu gehen, müssen auch die strategischen Aspekte des IT Service Managements berücksichtigt werden.

Lexikon:
Was ist IT Service Management

IT Service Management umfasst sämtliche Methoden und Massnahmen, die für die Planung und Bereitstellung einer kundenorientierten Dienstleistung (IT Service) nötig sind. Im Vordergrund steht die bestmögliche Unterstützung von Geschäftsprozessen durch die IT-Organisation. Der hierfür relevante Standard ist die IT Infrastructure Library (Itil), eine Sammlung von Best Practices, die durch die heutige OGC (Office of Governance Commerce) entwickelt und laufend verbessert wurde. Itil umfasst aktuell 23 Prozesse, die in einem Lifecycle Modell von der Service Strategie über Service Design bis zur kontinuierlichen Service Verbesserung abgebildet sind.

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Autorin Beatrice Vögele, Senior Consultant bei Swisscom Grossunternehmen
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