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Martin Kull (52) ist seit Anfang März dieses Jahres als Managing Director für die Agenden von Orange Business Services in der Schweiz verantwortlich. Im Gespräch mit ICTkommunikation verrät er unter anderem, warum sich sein Unternehmen zu Open Stack und Open Source bekennt, wie Cloud Computing die IT-Infrastrukturen verändert und wo die grossen Herausforderungen eines modernen IT-Dienstleisters liegen. Das Interview führte Karlheinz Pichler.

ICTkommunikation: Sie sind nun über ein halbes Jahr als Managing Director von Orange Business Services Schweiz im Amt. Welche Themen dominierten in diesen ersten Monaten Ihre Agenda?

Martin Kull: In diesen acht Monaten habe ich das Unternehmen, die Mitarbeitenden und unsere Kunden kennen gelernt und die relevanten Themen identifiziert. Meine Schlüsselgebiete sind Cloud, Kundenzufriedenheit, Sicherheit, Internet of Things und Mobility Services.

ICTkommunikation:
Sie arbeiteten schon einmal für Orange Business Services. Was hat sich im Unternehmen seit damals verändert?

Martin Kull:
Konkret war ich von 1998 bis 2006 bereits in diesem Unternehmen tätig. Ich begann als Branch-Manager Zürich bei Etrali. Diese Firma wurde von France Telecom aufgekauft und unter dem Label Orange Business Services Trading Solutions weiter geführt. Heute ist das Unternehmen viel internationaler aufgestellt und bedeutend agiler geworden.

ICTkommunikation: Welchen Stellenwert hat der Schweizer Markt für den Orange-Mutterkonzern?

Martin Kull:
Die Schweiz ist nach Frankreich das umsatzstärkste Land. Innovative Lösungen werden hier im Markt eingeführt. Zudem haben viele unserer europäischen und multinationalen Grosskunden ihren Sitz in der Schweiz.

ICTkommunikation: Welches sind derzeit für einen IT-Dienstleister wie Orange Business Services die grössten Herausforderungen im Cloud-Bereich?

Martin Kull:
Die grossen (amerikanischen) Unternehmen versuchen, ihre proprietären Standards mit allen Mitteln durchzusetzen. So wollen sie ihre Vormachtstellung sichern. Frühere Serviceprovider dringen mit der Cloud in einen Markt vor, welcher traditionellerweise von Firmen wie HP, CSC, IBM, etc. dominiert wurde.

ICTkommunikation:
Warum harzt es in diesem Bereich mit der Durchsetzung von offenen Standards?

Martin Kull: Vor allem grosse Firmen stehen einer Cloud kritisch gegenüber. Einer der Hauptgründe ist nach wie vor die Sicherheit im Internet und damit verbunden der Datenschutz.

ICTkommunikation:
Welche Position bezieht Orange Business Services zu Open Stack?

Martin Kull: Wir bekennen uns zu Open Stack und Open Source, im Gegensatz zu etlichen unserer Mitbewerber. Diese versuchen, zusammen mit Herstellern eine Allianz aufzubauen. Wir sind überzeugt, unser Bekenntnis ist der richtige Weg. So haben unsere Kunden eine viel grössere Flexibilität und müssen sich nicht an einen Hersteller binden.

Zusammen mit AT&T als Partner verfolgen wir eine Open-Source- und Standardisierungs-Initiative für Software Defined Networking und Network Function Virtualization. Sie wird die Vereinheitlichung von SDN- und NFV-Technologien merklich beschleunigen. Gegen Ende 2016 ist die Standardisierung weltweit verfügbar. Basierend drauf bauen wir unsere Services sukzessive weiter aus.

ICTkommunikation:
Derzeit befinden sich viele Firmen in einer Transformationsphase Richtung Cloud und stützen sich dabei auf ihren Telekom-Provider. Welche Cloud-Modelle dominieren die Nachfrage?

Martin Kull: Mit Cloud Computing wird der Begriff der IT-Infrastruktur neu erfunden. Sie wird Software-zentriert. Wir haben schon länger über Software-zentrierte Netzwerke gesprochen, realisiert wurden sie nie ganz. Jetzt geschieht die Zentrierung, nicht auf Netzwerkebene, sondern durch Dienste wie Infrastructure as a Service und Open Stack.

ICTkommunikation:
Was können Sie ihren Anwenderunternehmen konkret anbieten?

Martin Kull:
Bei uns finden Kunden verschiedenste Offerings in der Cloud, z.B. Business Together as a Service für Collaboration und Kommunikation.

ICTkommunikation: Bei vielen Kunden von Orange Business Services handelt es sich um multinational tätige Unternehmen. Wo sehen Sie diesbezüglich die grössten Herausforderungen?

Martin Kull:
Es gibt ganz unterschiedliche Herausforderungen. Ich sehe einerseits eine immer raschere Verlagerung der Verantwortlichkeiten vom CIO bzw. CTO hin zum CMO, CDO oder CFO. Andererseits wird die Zeit für die Markteinführung immer kürzer. Deshalb verlangen unsere Kunden immer mehr Agilität. Aus meiner Sicht wird B2B2C immer wichtiger. Man muss das Verhalten der Endkunden kennen lernen. Zudem sind Co-Investments und gemeinsame Go-To-Market-Modelle Herausforderung und Chance zugleich.

ICTkommunikation:
Orange Business Services verfügt in der Schweiz über Niederlassungen in Genf und Zürich. Werden in den Büros dieselben Schwerpunkte gesetzt?

Martin Kull:
Ja, wir setzen an beiden Standorten dieselben Schwerpunkte. Mit rund 300 Mitarbeitenden betreuen wir über 50 multinationale Unternehmen mit Sitz in der Schweiz.

ICTkommunikation:
Verfügen Sie auch über eigene Rechenzentren in der Schweiz?

Martin Kull:
Für unsere Kunden betreiben wir "on premise" deren Rechenzentren. Sonst arbeiten wir mit lokalen Schweizer Partnern zusammen. Nach unserer Meinung gibt es in unserem Land ein Überangebot an Rechenzentren. Deshalb investieren wir nicht selber, sondern mieten uns bei Bedarf bei Partnern ein.

ICTkommunikation:
In der Schweiz herrscht im IT-Service-Bereich ein harter Wettbewerb. Was unterscheidet Orange Business Services grundsätzlich von den Mitbewerbern?

Martin Kull: Wir verfolgen konsequent das Ziel, branchenführende Kommunikations- und IT-Lösungen bereitzustellen. Wir sind das Unternehmen mit der weltweit grössten Abdeckung, welches echte End-to-end-Managed-Services anbieten kann. Das attestiert uns Gartner. Der Kunde profitiert vom One-Stop-Shopping, was seine internen Prozesse um ein Vielfaches vereinfacht. Zusammen mit dem Kunden entwickeln wir die Sourcing-Strategie, welche perfekt auf seine Bedürfnisse abgestimmt ist. Mit rund 3‘000 Entwicklern in der Abteilung Orange Application for Business sind wir stark aufgestellt und können sämtliche digitalen Themen abdecken.

ICTkommunikation:
Was erwartet man bei Orange Business Services vom angesagten IoT-Hype?

Martin Kull:
IoT-Lösungen ermöglichen innovative Geschäftsmodelle. Unternehmen können neue Ertragsströme generieren. Wir sind sehr aktiv im Schweizer Markt und können bereits einige Erfolge vorweisen. Mit Orange als IoT-Partner profitieren Kunden von kompetenter Beratung. Wir bieten ihnen ein umfassendes Bild der Herausforderungen, mit denen sie konfrontiert sein können. Unsere IoT-Fachleute helfen, die verschiedenen Elemente zusammenzuführen, die vor Beginn eines IoT-Projekts berücksichtigt werden müssen.

ICTkommunikation: Wo sehen Sie für Orange Business Services die grössten Möglichkeiten für das kommende Jahr?

Martin Kull:
Neben unserem Stammgeschäft werden wir unsere Kapazitäten im Bereich Business-Prozesse und Tech Consulting ausbauen. Seit längerem legen wir einen Fokus auf Application Development und Integration. Neu machen wir diese offenen Plattformen digitalen Agenturen zugänglich. Ausserdem sind wir stark an Co-Investments interessiert, welche mit Kunden oder Partnern realisiert werden können.

ICTkommunikation:
Welche Technologie hat die Gesellschaft und das Geschäftsleben in den letzten 25 Jahren aus Ihrer Sicht am meisten beeinfluss?

Martin Kull:
In erster Linie das Internet und die damit verbundene digitale Revolution. Mobility und Social Media, alles wird geteilt, man ist always on. Noch nie in der Geschichte hat sich unser Wissen so rasch vermehrt und noch nie konnten Informationen so ungehindert und so schnell verbreitet werden.

ICTkommunikation:
Welcher aktuelle Trend hat das grösste Potenzial, die IT-Branche in den kommenden Jahren nachhaltig zu beeinflussen und warum?

Martin Kull:
Aus meiner Sicht sind das Cloud Services, SDN/SD-WAN, Mobility sowie digitale Geschäftsprozesse. Sie alle begünstigen einen Veränderungsprozess, der eine Vielzahl von Aspekten unserer Gesellschaft betrifft und nicht bei Unternehmen endet.

ZUR PERSON:
Martin Kull (52) ist seit Anfang März 2016 Managing Director von Orange Business Services in der Schweiz. Er lebt in Zürich und Arosa und segelt sehr gerne auf dem Meer (nicht so sehr auf Seen) und liebt Skifahren.

ZUM UNTERNEHMEN:
Orange Business Services Schweiz zählt über 50 multinationale Unternehmen mit Schweizer Sitz zu ihren Kunden, darunter Amcor, Caterpillar, Cotecna, Dufry, Gate Gourmet, Givaudan, Hexagon Metrology, Hilti, Hoppe, JTI, Landis+Gyr, Leica Geosystems, Lonza, Mettler Toledo, MSC, Nespresso, Oetiker Gruppe, PMI ITSC, SBM Offshore, Sensile Technologies, SGS, STMicroelectronics, Swiss Re, VP Bank, Zehnder Group oder Zurich Insurance Group.



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