thumb

Der in der südchinesischen Metropole Shenzhen angesiedelte Hightech-Riese Huawei, Chinas grösstes Privatunternehmen, hat einiges vor. Nach den Netzwerken will der zweitgrösste Telekom-Ausrüster der Welt nun auch im Bereich der Unternehmens-IT und im Markt für Konsumelektronik der Konkurrenz das Fürchten lehren.

Shenzhen liegt im Süden Chinas und ist nur durch einen Fluss von Hongkong getrennt. Im Jahr 1979 lebten im heutigen Stadtgebiet gerade einmal 30.000 Einwohner. Deng Xiaoping, der China von 1979 bis 1997 faktisch regierte, öffnete die Volkrepublik wirtschaftlich und erklärte Shenzhen quasi zur Planstadt. Heute ist Shenzhen eine moderne Metropole mit über 12 Millionen Einwohnern, die fast genauso schnell wächst wie Shanghai. Und Shenzhen ist die Stadt mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen in China (ohne Hongkong und Macao). Tragende Säule der lokalen Wirtschaft ist die Elektronik- und Telekommunikationsindustrie. Und hier spielt der Hightech-Riese Huawei eine zentrale Rolle. Wobei die Entwicklung dieses Unternehmens direkt mit der Entwicklung der Stadt vergleichbar ist. Bei der Gründung 1987 hatte die Firma zehn Mitarbeiter. Das Kapital betrug 3000 US-Dollar. Heute beschäftigt Huawei weltweit rund 146 000 Mitarbeiter, mit denen im laufenden Jahr ein Umsatz von beinahe 40 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet werden wird. An die 40.000 Beschäftigte sind allein am Campus in Shenzhen, der aus etlichen modernen Gebäudekomplexen besteht, tätig. Ja, der ICT-Riese verfügt gar über eine eigene Autobahnabfahrt. Welches andere Unternehmen kann derartiges vorweisen? International operiert die Firma derzeit in 160 Ländern. Und 45 der 50 grössten Netzwerkbetreiber arbeiten mit Anlagen von Huawei. Der Technologiekonzern ist weder staatlich noch an der Börse, sondern gehört seinen chinesischen Mitarbeitern, die Anteile halten. 1,3 Prozent dieser Aktien befinden sich im Besitz des 67-jährigen Firmengründers und CEO Ren Zhengfei.

Transparenz und Offenheit

Trotz seiner Grösse ist Huawei in der westlichen Welt aber noch immer vergleichsweise unbekannt. Das sollte sich aber rasch ändern, öffnet sich der Konzern doch in einer Weise, wie es für chinesische Unternehmen selten und selbst für manche westliche Firmen nicht selbstverständlich ist. „Wir glauben, dass unser Bekenntnis zu Offenheit und Transparenz entscheidend geworden ist für unseren Erfolg in der internationalen Expansion“, betont etwa Huawei-Sprecher Roland Sladek, ein Deutscher, der heute in Shenzhen für die Unternehmenskommunikation verantwortlich zeichnet. „Es ist der einzige Weg, um falschen Vorstellungen und Sorgen über Huawei zu begegnen,“ so Sladek.

Charme- und Marketingoffensive

Mit ein Grund dafür, dass der Name Huawei in der westlichen Welt bis vor kurzem nur Insidern geläufig war, ist, dass die Firma überwiegend Unternehmenskunden bediente und folglich nicht auf Breitenwirksamkeit angewiesen war. Mit dem Eintritt in den Markt für Konsumerelektronik bedarf dieses Bild jedoch einer Korrektur. Huawei hat daher zu einer grossen Charme- und Marketingoffensive angesetzt. Eine Massnahme, die auch aus einem anderen Blickwinkel Bedeutung erhält: Denn so wie der Aufstieg Chinas weltweit Misstrauen auslöst, hat auch Huawei mit Vorurteilen oder gar Protektionismus zu kämpfen. In den USA, Australien und zuletzt auch in Deutschland wurden vage und nicht näher begründete „Sicherheitsbedenken“ bemüht, um das Unternehmen von Aufträgen auszuschliessen. Es wird auf vermeintliche Beziehungen zum chinesischen Militär verwiesen, weil Ren Zhengfei bis 1983 als Ingenieur in der Volksbefreiungsarmee gearbeitet hatte. Das Unternehmen sieht sich ungerecht behandelt. Auch weil nie Beweise vorgelegt werden. In seiner Firmengeschichte hat Huawei immer eher Distanz zur Regierung gepflegt, was nach Expertenansicht auch seinen Erfolg erklärt. So musste das Unternehmen auf eigenen Füssen stehen, genoss dafür operationelle Freiheit. „Huawei ist in dem Hexenkessel eines brutal umkämpften Marktes gross geworden“, sagt beispielsweise David Wolf, der ein Buch über Chinas Telekom-Industrie geschrieben hat.

Ambitionierte Expansionspläne

Dessen ungeachtet hegt Huawei ambitionierte Expansionsziele. Auch wenn der Motor der Weltkonjunktur momentan harzt, will das Unternehmen in diesem Jahr um 15 bis 20 Prozent weiterwachsen. Nach Ericsson ist Huawei bereits die Nummer zwei unter den Telekomausrüstern. Nun will der chinesische Riese aber auch seine Rolle in den Bereichen Enterprise Computing und Konsumerelektronik entscheidend ausweiten. Man setzt auch auf den Trend zum Cloud-Computing, also auf die Auslagerung von IT-Diensten aller Art ins Internet.

In der Unternehmens-IT will sich der Riese zum Komplettanbieter entwickeln. Von Routern und Switches für die Netzwerke angefangen, über Server und Speicher bis hin zu Videokonferenz-Lösungen sollen möglichst viele Bedürfnisse der Unternehmenskunden abgedeckt werden. Ein Portfolio, das unter anderem wohl bei HP und Dell flaue Gefühle erzeugen sollte. Das 2008 gemeinsam mit der Sicherheitsspezialistin Symantec gegründete Joint Venture, dessen Anteile Huawei jüngst übernommen hat, spielt in diesem Zusammenhang eine gewichtige Überlegung. Bis zum Jahr 2015 wollen die Shenzhener mit Unternehmens-IT bereits stattliche 15 Milliarden Dollar Umsatz lukrieren. Dies entspräche einer Verzehnfachung gegenüber 2011.

Für die Expansion ins Handy-Geschäft baut Huawei sogar seine eigenen Chips, die künftig auch anderen Unternehmen angeboten werden sollen. „In der Zukunft wird Huawei in der Lage sein, eigene Chiplösungen anzubieten - sei es für mobile Breitbandgeräte, Tabletcomputer oder Smartphones“, erklärte Vizepräsident Eric Xu vor kurzem gegenüber der Nachrichtenagentur DPA. Bis 2015 will sich Huawei hinter Samsung und HTC zum drittgrössten Hersteller für Android-Handys hinauf hanteln. Derzeit liegt die Firma noch auf Rang sechs. Im laufenden Jahr sollen 100 Millionen Mobiltelefone verkauft werden, davon 60 Millionen Smartphones. Der starke Wettbewerb auf dem Handymarkt schreckt Huawei dabei nicht. „Wenn wir kein Geld mit Smartphones machen können, können wir immer noch Geld mit unseren Chipset-Angeboten machen“, sagt Xu. „Solange wir an jedem Smartphone-Chip verdienen, wird sich das tragen.“
Um mit Endgeräten wie Handys oder Tablet-Computern auch die Herzen der Verbraucher zu erobern, braucht es allerdings mehr als gute Produkte. „Im Geschäft zwischen Unternehmen muss man respektiert sein, aber von den Verbrauchern muss man geliebt werden“, ist sich der Marketingchef der Gerätesparte, Shaoyang, der besonderen Herausforderungen auf dem Lifestyle- und Konsumentenmarkt bewusst. Die Herzen der Konsumenten zu erobern, sei eine grosse Aufgabe.

Aber nicht nur bei den Chips setzt Huawei auf Innovation: In diesem Jahr sollen 4,5 Milliarden US-Dollar oder 20 Prozent mehr für Forschung und Entwicklung ausgegeben werden.

Eroberung der Schweiz

In der Schweiz sorgte Huawei vor kurzem für Schlagzeilen, weil es dem Unternehmen gelungen ist, Alcatel-Lucent beim Weiterbetrieb der Netzwerk-Infrastruktur von Sunrise auszubooten. Ursprünglich hatte Sunrise 2008 mit dem französisch-amerikanischen Konzern Alcatel-Lucent für sieben Jahre den Bau, Betrieb und Unterhalt des Mobilfunk- und Festnetzes vereinbart. Ende August 2011 kündigte der zweitgrösste Schweizer Telekomkonzern dann überraschend den bis 2015 laufenden Vertrag. Ab dem 1. September 2012 wird nun Huawei die operative Verantwortung dafür im Rahmen eines 5-Jahresvertrages übernehmen. Huawei werde seine Aktivitäten in der Schweiz verstärken und insbesondere eine Niederlassung in Zürich aufbauen. Bis Ende 2012 sollen dort mehrere hundert lokale Fachkräfte beschäftigt sein, verspricht das Unternehmen. Dass Sunrise nicht der letzte Aufhorcher sein wird, liegt auf der Hand.

5302-530250huaweifirmenzentraleshenzhenlow.jpg
Firmenzentrale von Huawei in Shenzhen
5302-530250huawei31low.jpg
Markantes Firmenlogo
5302-530250huawei34low.jpg
Im Showroom von Huawei in Shenzhen
5302-530250huawei26low.jpg
Huawei will unter die Top 3 der Anbieter von Android-Smartphones vorstossen