ChatGPT: weltweiter Hype um kostenloses KI-Tool (Foto: unsplash.com, Rolf van Root)

Ob für Chats, Content-Produktion oder Datenanalysen - Künstliche Intelligenz (KI) hat 2023 eindrucksvoll gezeigt, welches enorme Potenzial in dieser neuen Technologie steckt. Tools wie ChatGPT, die kostenlos angeboten werden und so gut wie jede Frage beantworten können, haben einen weltweiten Hype ausgelöst, der 2023 nicht nur die Medienbranche erfasste. Die zunehmende Nutzung von KI-Systemen bringt aber auch neue Probleme und Risiken mit sich, was kritische Stimmen und damit auch den Ruf nach strengen Regulierungen lauter werden liess.

Nicht verbieten, aber umfangreich regulieren - so könnte man wohl das Grundprinzip zusammenfassen, mit dem die EU sich auf politischer Ebene mit dem Thema KI und all seinen unterschiedlichen Facetten auseinandersetzt. Schon im April einigten sich die Abgeordneten des EU-Parlaments auf eine gemeinsame Linie, die die Nutzung dieser Technologie in geordnete Schranken verweisen soll. In ihrem Entwurf eines sogenannten "Artificial Intelligence Act" schlagen sie vor, KI-Systeme nach ihrem jeweiligen Risikoniveau einzustufen und fordern deren Entwickler dazu auf, für maximale Transparenz zu sorgen.

Die Hersteller sollen beispielsweise offenlegen, wie genau ihre KI funktioniert und ob bei deren Entwicklung urheberrechtlich geschütztes Material verwendet worden ist. Gerade dieser letztgenannte Aspekt hat nämlich in den Reihen von Kreativschaffenden bereits heftige Proteste ausgelöst. Diese sehen durch die Verbreitung von KI ihre ohnehin oft schon eher prekäre finanzielle Situation bedroht. In den USA haben deshalb zahlreiche Künstler eine Klage gegen die Entwickler von Stability AI und Midjourney eingebracht. Der Vorwurf: Ihre Tools verletzen die Rechte von "Millionen von Künstlern", indem sie ohne deren Genehmigung ihre Werke verwenden.

Auch grosse Player im Medienzirkus wie das Major-Label Universal Music oder der Streaming-Riese Spotify haben diese Problematik erkannt und sich der Kritik der Kreativen angeschlossen. Im April riefen sie auch die Entwickler von KI-Programmen mit Nachdruck dazu auf, kein lizenzpflichtiges Material für das Training ihrer KI zu verwenden. Universal, das allein knapp ein Drittel der gesamten Werke der Musikindustrie kontrolliert, gab zudem an, bereits eine "beträchtliche Zahl" an Klagen in Zusammenhang mit dem Einsatz von KI eingebracht zu haben, um geltende Urheberrechtsgesetze durchzusetzen.

In Anbetracht der rasanten Verbreitung von KI-Systemen in verschiedensten Anwendungsbereichen verwundert es nicht, dass ein Grossteil der Menschen noch wenig Ahnung davon hat, was hier eigentlich passiert und welche Konsequenzen das unter Umständen haben kann. Laut einer Umfrage des JFF - Institut für Medienpädagogik weiss etwa noch nicht einmal jeder zweite Deutsche, welche Geräte mit KI arbeiten. Gerade um die Chancen und Risiken in diesem Bereich besser abzuschätzen, brauche es aber eine "differenzierte Auseinandersetzung" und spezielle Medienkompetenzen, so Studienleiter Niels Brüggen.

Trotz des fehlenden Hintergrundwissens scheint die Mehrheit der Konsumenten generativen KI-Tools zu vertrauen und potenzielle Gefahren sowie Missbrauch aussen vor zu lassen, wie ein Bericht des Capgemini Research Institute im Mai feststellte. Dieser basierte immerhin auf einer Befragung von 10.000 Verbrauchern aus 13 Ländern. Da im Laufe des Jahres aber auch zunehmend Meldungen auftauchten, die konkrete Risiken und Missbrauchsfälle in Zusammenhang mit KI aufdeckten - zum Beispiel gab sie gefährliche Tipps für Krebstherapien oder wurde von Pädophilen genutzt, um Unmengen an kinderpornografischem Bildmaterial herzustellen - bleibt abzuwarten, ob und wie sich die Einstellung auf Nutzerseite verändern wird.

Viele Debatten um Potenziale und Risiken gab es auch im Bereich der sozialen Online-Medien. Immerhin sind fast fünf Mrd. Menschen, also etwas mehr als 60 Prozent der Weltbevölkerung, auf derartigen Portalen aktiv, wie Kepios Ende Juli berichtete. Alleine Tiktok und Facebook haben 1,4 beziehungsweise 2,96 Mrd. registrierte User.

Diese Entwicklung hat natürlich ihre Schattenseiten. So erhalten Teens an einem typischen Tag rund 240 Benachrichtigungen auf ihrem Smartphone, die meisten davon via Social-Media-Apps. Ein Viertel dieser Nachrichten kommt während der Zeit in der Schule und weitere fünf Prozent in der Nacht, stellte eine Studie im Oktober fest. Das kann sich nicht nur auf die Schulnoten, sondern auch auf die psychische Gesundheit der Betreffenden negativ auswirken. Der Arzt und Leiter des öffentlichen US-Gesundheitsdienstes, Vivek Murthy, forderte deshalb dringend strengere Richtlinien für die Nutzung sozialer Medien durch Kinder und Jugendliche. Es gebe eine wachsende Zahl von Forschungsergebnissen, die belegen, dass die Plattformen ein "tiefgreifendes Risiko" für junge Menschen darstellen könnten.

Diese Forschungsergebnisse spiegelten sich auch in zahlreichen negativen Schlagzeilen der letzten Monate wider. In einer Studie konnten Forscher etwa nachweisen, dass sich das Gehirn von Kindern, die soziale Medien intensiv nutzen, anders entwickelt als das von Altersgenossen, die sparsamer damit umgehen. Eine weitere will einen negativen Einfluss der Online-Portale auf die Lesefähigkeiten von Heranwachsenden gefunden haben und wieder eine andere postuliert sogar, dass Teens eher zu Binge-Trinkern werden, wenn sie nur 30 Minuten pro Tag in sozialen Netzwerken verbringen. Zudem stimmt bedenklich, dass diese Online-Medien junge Frauen zu Schönheitsoperationen verführen und den Extremismus verstärken.

Ein Beispiel dafür, dass es 2023 auch abseits der ganzen Aufregung um KI und soziale Medien Interessantes zu berichten gab, ist die Entwicklung am heiss umkämpften Streaming-Markt. Dieser befindet sich zwar in einigen Ländern weiterhin im Aufwärtstrend, zeigt aber in anderen schon Anzeichen für ein Abflauen des User-Interesses. In Australien hat Netflix etwa erstmals seit 2015 Kunden verloren, wie die neueste jährliche Branchen-Umfrage ergab. Experten halten dies für ein Zeichen, dass das Streaming-Wachstum ins Stocken gerät und sich die Plattformen angesichts wachsenden Drucks auf die Lebenshaltungskosten einer Obergrenze nähern.

Genau das bestätigte eine Umfrage in den USA, der zufolge rund 38 Prozent der US-Bürger die Anzahl ihrer Streaming-Dienste entweder kündigen oder einschränken wollen, um dadurch Geld zu sparen. Als Beweggründe hierfür nannten sie die anhaltend hohe Inflation, die steigenden Preise bei den Streaming-Abos sowie das harte Durchgreifen von Netflix beim Teilen von Abos. Auch die explosionsartige Zunahme der Streaming-Inhalte selbst wirkt sich negativ auf deren Nutzung aus: den Verbrauchern fällt es zunehmend schwer, sich zu entscheiden, was sie sich ansehen möchten. Den Marktforschern von Nielsen zufolge wird jeder fünfte Suchende nicht fündig und wendet sich daraufhin einer anderen Beschäftigung zu.