Die Schweiz kann von generativer KI stark profitieren (Symbolbild: Pixabay/GDJ)

Die Schweizer Wirtschaft besitzt das weltweit höchste Wachstumspotenzial durch generative KI (Künstliche Intelligenz) und könnte allein durch den Einsatz der neuen Technologie in den kommenden Jahren jährlich 0,5 bis 0,8 Prozent zulegen. Dies geht aus der Studie "Embracing the GenAI Opportunity" von Strategy&, der globalen Strategieberatung von PwC, die das Wertschöpfungspotenzial der neuen Technologie in 20 Industrien weltweit analysiert hat. Als generative KI werden dabei alle Formen künstlicher Intelligenz definiert, die Inhalte verschiedenster Art wie Text, Bild oder Ton analysieren und neu erstellen können.

In einem Best-Case-Szenario könnte die Technologie laut Studie in der Schweiz einen BIP-Schub von insgesamt bis zu 50 Milliarden Schweizer Franken bis 2030 auslösen. Aber auch bei einer weniger breiten und schnellen Technologieadaption läge das zusätzliche Wachstumspotenzial immer noch bei 25 Milliarden Schweizer Franken. Für Europa beziffert die Analyse das mögliche Plus auf 415 bis 850 Milliarden Schweizer Franken. Wie stark einzelne Volkswirtschaften tatsächlich von generativer KI profitieren, hängt gemäss der PwC-Studie wesentlich von den Rahmenbedingungen im jeweiligen Land, der Geschwindigkeit der Technologieadaption sowie dem Branchenmix ab.

Die Auswirkungen generativer KI unterscheiden sich zwischen einzelnen Branchen enorm, heisst es im Report. Zu den potenziell grössten Gewinnern gehören demnach alle Bereiche, in denen grosse Mengen Daten erhoben, analysiert und verarbeitet werden. Zu solchen "High Impact Industries" zählen laut Studie etwa die Softwarebranche, Medienunternehmen, die Pharmaindustrie oder der Finanzsektor. Bis zum Jahr 2030 könnte GenAI in diesen Sektoren Produktivitätsgewinne von 8 bis 15 Prozent ermöglichen.

Deutlich geringer fallen die möglichen Effizienzschübe in Bereichen wie dem Einzelhandel, dem Tourismus oder dem Gesundheitswesen aus. Diesen Sektoren könnte GenAI einen Aufschwung etwa beim Verkauf oder durch starke Personalisierung in der Kundenansprache verschaffen und die Produktivität um 4 bis 6 Prozent heben. Am wenigsten profitieren der Analyse zufolge voraussichtlich Sektoren wie die Landwirtschaft, der Bau oder die Chemie von generativer KI. Für diese stark von körperlicher Arbeit, industrieller Fertigung sowie hohem Materialeinsatz und Energiebedarf geprägten "Low Potentials" prognostiziert die Studie nur indirekte Effizienzgewinne von 2,5 bis 5 Prozent. Der Blick auf den Schweizer Branchenmix zeigt dabei, dass die "High Impact Industries" hierzulande mit 27 Prozent Wertschöpfungsanteil bereits überdurchschnittlich viel zum BIP beitragen, während der "Low Potential" Sektor mit 36 Prozent BIP-Anteil in der Schweiz vergleichsweise schwach ausgeprägt ist.

"Gerade durch die hohe Dichte an Finanz- und Pharmakonzernen ist GenAI eine riesige Chance für die Schweiz und kann hierzulande enorme Wachstumspotenziale freilegen, etwa indem die Technologie Herausforderungen wie den Fachkräftemangel in einzelnen Bereichen löst. Wenn Schweizer Firmen jetzt fokussiert in die Nutzung der Technologie investieren, kann die Schweiz ihr Wachstum noch einmal deutlich beschleunigen und sowohl die Wirtschaft als auch die Innovationskraft mithilfe von GenAI ankurbeln", konstatiert Philipp Wackerbeck, Partner bei Strategy& und globaler Leiter Financial Services. "Je nach Branche setzt generative KI dabei an ganz unterschiedlichen Hebeln an. Der hierzulande starke Finanzsektor bietet zum Beispiel ein grosses Potenzial für den Einsatz generativer KI. Im Wealth Management liegt der Fokus etwa auf der exzellenten Kundenbetreuung. GenAI-Assistenten können Kundenberatern hier helfen, ihre Beratungsgespräche effizienter vorzubereiten, und ermöglichen ein verbessertes Kundenerlebnis durch individualisierte Beratung und massgeschneiderte Investmentvorschläge. Wir sehen immer mehr Projekte zu generativer KI mit Effizienzsteigerungspotenzialen von bis zu 20 Prozent."

Im globalen Vergleich gehört die Schweiz gemeinsam mit Belgien, Schweden, den USA sowie dem Vereinigten Königreich zur Gruppe der "GenAI-Begünstigten" und führt diese als Spitzenreiter an. Dahinter liegt im Mittelfeld die Gruppe der "GenAI-Aspiranten", die deutlich stärker an Standortfaktoren wie etwa der digitalen Infrastruktur arbeiten müssen, um die Potenziale generativer KI abschöpfen zu können. Zu dieser Gruppe gehören etwa Deutschland, Frankreich und die Niederlande. Das Schlusslicht bildet die Gruppe der "GenAI-Nachzügler", zu der unter anderem Italien, Spanien, Österreich oder Norwegen zählen. Um das volle geschätzte Potenzial von bis zu 0,8 Prozent Wirtschaftswachstum pro Jahr durch GenAI erreichen zu können, müssten die Schweizer Unternehmen die durch GenAI möglichen Produktivitätssteigerungen laut Studie vor allem zügig und umfassend implementieren. Zugleich müsse die Schweiz die Standortbedingungen für KI-Unternehmen auf dem derzeit hohen Stand halten und weiter optimieren.

"Wenn die Schweiz ihre Position als global führender Innovations-Standort halten und ausbauen will, muss das Land bei generativer KI an drei Hebeln ansetzen. Erstens müssen noch stärker als zuvor KI-Champions durch weiterhin erstklassige Standortfaktoren wie Zugang zu Talenten, digitale Infrastruktur, attraktives Investmentumfeld sowie weitere Anreize ins Land gelockt und gehalten werden. Zweitens müssen hiesige Unternehmen mit grossem Potenzial im Bereich generative KI die Technologie so schnell wie möglich implementieren. Drittens müssen die bisherigen Nachzügler den Einfluss von GenAI auf ihre Branche umfassend verstehen und ihre Organisation und Mitarbeiter darauf vorbereiten, sodass sie ebenfalls von der neuen Technologie profitieren können", sagt Daniel Ettlin, Director bei Strategy& Schweiz. Damit dies gelinge, komme es auf Unternehmen, Bürger und Politik gleichermassen an. Ettlin: "Eine dedizierte GenAI Strategie sowie die Kommunikation regulatorischer Leitplanken orientiert am EU GenAI Act könnten die Adaption von KI beschleunigen. Generative KI ist dabei eine vielversprechende, aber dennoch nicht die einzige Technologie mit dem Potenzial, das künftige Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Eine auf mehrere Technologien ausgerichtete Investitionsstrategie von Unternehmen und Politik ist daher erfolgsentscheidend."